Bedeutung der Sprachentwicklung
Für ein Kind ist der Erwerb der Sprache eine der komplexesten kognitiven Leistungen, die es in der frühen Kindheit bewältigen muss.
Die Sprachentwicklung steht in enger Wechselwirkung mit anderen kognitiven Leistungen steht wie z.B. Gedächtnis, Aufmerksamkeit, Intelligenz und emotional/sozialen Fähigkeiten wie z.B. Umgang mit anderen Kindern, verbale Durchsetzung von Wünschen und Bedürfnissen des Kindes.
Die Sprachentwicklung ist aufgrund ihrer Komplexität sehr störbar. 6-8% aller Vorschulkinder zeigen das Bild einer Sprachentwicklungsstörung, die in Folge zur Ausbildung weiterer Störungen führen kann.
Aus diesem Grund sind ein möglichst frühes Erkennen sowie eine möglichst frühe Behandlung von Sprachentwicklungsstörungen wichtig, um die kindlichen Entwicklungs- und Lernmöglichkeiten zu optimieren und das Auftreten von zusätzlichen, durch die Sprachentwicklungsstörung verursachten, Beeinträchtigungen zu verhindern.
In diesem Zusammenhang ist neben einer Abklärung der Hörfähigkeit im Besonderen eine wissenschaftlich fundierte entwicklungspsychologische Untersuchung von sprachlichen und nichtsprachlichen Fähigkeiten unerlässlich.
Definition der Sprachentwicklungsstörung
Sprachentwicklungsstörungen sind dadurch gekennzeichnet, dass die normalen Muster des Spracherwerbs von frühen Stadien der Entwicklung an gestört sind.
Sprachentwicklungsstörungen können entweder nur die Entwicklung der gesprochenen Sprache oder nur die Entwicklung des Sprachverständnisses, sowie beide Leistungen gleichzeitig betreffen. Generell sind Auffälligkeiten in der gesprochenen Sprache viel leichter zu erkennen als im Verstehen von Sprache, da dieses sehr häufig durch Zeigen oder Deuten erleichtert wird und von den Kindern richtig „erraten“ werden kann.
Symptome von Sprachentwicklungsverzögerungen
Von Sprachentwicklungsstörungen spricht man dann, wenn mehrere der im Folgenden aufgelisteten Auffälligkeiten in der Sprachentwicklung beobachtet werden können.
Auffälligkeiten in der gesprochenen Sprache:
- verspätete erste Wörter (z.B. erste Wörter mit 18 Monaten)
- für das entsprechende Alter zu geringer Wortschatz (z.B. 10 Wörter mit 3 Jahren)
- lernt sehr langsam und vergisst schon gelernte Wörter wieder oder sucht nach schon gelernten Wörtern („Wortfindungsstörung“)
- wird von besonders fremden Personen wie z.B. Nachbarn aufgrund einer undeutlichen Aussprache nicht verstanden
- die Anzahl der Wörter pro Satz ist für das Alter nicht entsprechend (z.B. mit 3 Jahren werden nur 1-2-Wortsätze gesprochen)
- Verwendung einer einfachen Sprache (z.B. einfache Hauptsätze ohne Nebensätze werden mit 5 Jahren gesprochen)
- grammatikalische Fehler wie z.B. das Verwenden von falschen Zeiten oder falsche Ein- und Mehrzahlbildungen oder falsche Artikeln oder falsche Wortendungen sind immer noch ab einem Alter von 4 Jahren zu beobachten
Weitere Auffälligkeiten in der gesprochenen Sprache
- Erlebnisse aus dem Kindergarten oder aus der Schule können nicht verständlich erzählt werden, sodass unbeteiligte Personen sich nicht auskennen
- Ab der 2. Volksschulklasse liest das Kind sehr langsam und macht sehr viele Fehler dabei
- Ab der 2. Volksschulklasse bereitet das Erlernen und Anwenden der Rechtschreibregeln große Schwierigkeiten
- Ab der 3. Volksschulklasse hat das Kind große Schwierigkeiten mit dem Formulieren kleiner freier Aufsätzen oder freier Erzählungen
Auffälligkeiten im Verstehen der Sprache
- kein altersentsprechendes Verständnis der Sprache z.B. es versteht mit ca. 1 Jahr keine häufig verwendeten Begriffe; es versteht mit ca. 2 Jahren keine einfachen Sätze)
- kein oder nur unzureichendes Befolgen von Anweisungen, obwohl das Kind sehr bemüht ist, „richtig“ zu verstehen (z.B. es kann mit ca. 2 Jahren einfache Anweisungen nur mit gestenreicher Unterstützung verstehen und ausführen)
- Fragen werden häufig falsch oder mit „ja“ beantwortet, obwohl das Kind die richtige Antwort weiß (z.B. Fragen nach dem eigenen Namen können mit ca. 2 Jahren nicht beantwortet werden)
- Fragen werden nur sehr vage beantwortet
- neue Instruktionen wie z.B. das Erlernen oder Merken eines neuen Spiels mit unbekannten Spielregeln fällt dem Kind sehr schwer
Weitere Auffälligkeiten Verstehen der Sprache
- kann sich nicht mehrere Aufträge in der richtigen Reihenfolge merken (z.B. es kann sich mit ca. 3 Jahren nur die letzten von mehreren kurzen Aufträgen merken)
- auf Fragen oder Anweisungen wird gar nicht reagiert, sodass Eltern sehr häufig den Verdacht haben, dass das Kind schlecht hört
- Ab der 3. Volksschulklasse kann das Kind den Sinn eines gehörten Textes nicht wiedergeben (z.B. hat große Schwierigkeiten mit Textaufgaben in Mathematik)
Diagnostik und Therapie von Sprachentwicklungsstörungen
Lassen sich eine oder mehrere Auffälligkeiten in der Sprachentwicklung eines Kindes beobachten sollte eine genaue Sprachentwicklungsdiagnostik veranlasst werden.
Die Gesamtdiagnostik erfolgt interdisziplinär und umfasst neben einer entwicklungspsychologischen Untersuchung eine Abklärung durch eine(n) FacharztIn für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten. Die Untersuchungsergebnisse bilden die Grundlage für weitere Therapieempfehlungen. Wurde eine Sprachentwicklungsstörung festgestellt, sollte professionelle therapeutische Hilfe in Anspruch genommen werden.
Mithilfe wissenschaftlich fundierter Therapiemethoden kann die kindliche Sprache gefördert und somit die optimale Entwicklung des Kindes ermöglicht werden. Zudem können durch eine möglichst frühe die Sprachförderung Folgeerscheinungen verhindert und für den Schuleintritt notwendige Voraussetzungen geschaffen werden.